«Möchten Sie Nachhaltigkeitskriterien bei Ihren Anlageentscheiden berücksichtigen?» Solche oder ähnliche Einzelfragen werden von Anlageberaterinnen und -beratern vermehrt gestellt. Das Themenfeld des nachhaltigen Investierens wird oft mit den drei Hauptpfeilern Environment, Social und Governance (ESG) umschrieben. Diese Kategorisierung deutet darauf hin, dass eine vielschichtige Auseinandersetzung angezeigt ist. Ein aktuelles Forschungsprojekt unseres Mitglieds OST – Ostschweizer Fachhochschule und des Unternehmens UMushroom AG befasst sich mit einer differenzierteren Erfassung der NachhaltigkeitsKundenbedürfnisse im Anlageprozess.

Im Rahmen des globalen Megatrends «Nachhaltigkeit» zeigt sich auch in der Finanzbranche eine vermehrte Nachfrage nach nachhaltigem Investieren, auch bekannt unter der Abkürzung ESGInvestments (Environment, Social, Governance). Denn: Anlegerinnen und Anleger legen ihren Fokus bei der Auswahl von Finanzprodukten nicht mehr nur auf die drei traditionellen Ziele Rendite, Sicherheit und Liquidität, sie fordern je länger je mehr den Einbezug von ESG Kriterien. Die persönlichen ESG-Präferenzen sollen sich in der Anlagestrategie, den Anlageentscheiden und den Anlageprodukten widerspiegeln, damit Finanzinvestitionen mit dem persönlichen Wertesystem in Einklang gebracht werden.

Der umfassende Einbezug von ESG-Kriterien in den Anlageberatungsprozess von Anlegerinnen und Anlegern ist dringend notwendig, wird bisweilen in Praxis aber erst rudimentär umgesetzt. Die Herausforderung besteht einerseits darin, dass die Anlegerinnen und Anleger ihre spezifischen ESGAnlagepräferenzen oft selbst nicht kennen und teilweise immer noch dem Irrtum unterliegen, dass nachhaltige Investments mit einer Renditeeinbusse einhergehen würden. Andererseits zeigen Untersuchungen, dass die zugrundeliegenden Kundenbedürfnisse von den Finanzdienstleistern oftmals nur oberflächlich erhoben werden.

Die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspektes in der Anlageberatung trifft nicht nur den Nerv der Zeit, sondern wird mittelfristig voraussichtlich auch in der Schweiz durch die Gesetzgeber vorgeschrieben werden. Aktuelle Beispiele dazu sind die Empfehlungen von Swiss Banking zum Einbezug von ESG-Kriterien in den Beratungsprozess oder die Entwicklungen rund um die Finanzmarktrichtlinie der EU (MiFID II). Diese geht einen Schritt voran und setzt mit MiFID II ab August 2022 gesetzliche Mindestanforderungen bezüglich der Erfassung der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden fest.

Individuelle ESG-Profile dank Kooperation von Theorie und Praxis
Die OST – Ostschweizer Fachhochschule entwickelt zusammen mit den beiden erfolgreichen Jungunternehmerinnen Luba Schöning und Tonia Zimmermann der digitalen Anlageplattform UMushroom ein wissenschaftliches Modell zur gezielten Erfassung der individuellen ESGPräferenzen der Anlegerinnen und Anleger. Dieses erlaubt eine Visualisierung der persönlichen ESGProfilierung und hilft, die Auswirkungen der eigenen Investments aus nachhaltiger, umwelt- und sozialverträglicher Sicht zu reflektieren und einzuordnen. So können individuelle Anlageentscheide entsprechend der persönlichen Wertevorstellungen selbstbestimmt gefällt werden.

Mit Agilität schrittweise zur ESG-Umsetzung
Das von der Innosuisse finanzierte Forschungsprojekt unter dem Titel «Self-Assessment ESGProfiling» stellt den ersten Schritt zu einem umfassenderen und aktiven Einbezug der ESGBedürfnisse der Anlegerinnen und Anleger dar. Nachdem in den letzten Wochen ein erster Entwurf des Modells erarbeitet wurde, folgt nun eine Testphase in der Praxis. Je nach Anklang kann das Modell bereits im zweiten Halbjahr 2022 durch UMushroom operativ eingesetzt werden. Anschliessend lässt das agile Management des Forschungsansatzes verschiedene Weiterentwicklungen zu. Denkbar wäre zum Beispiel ein Abgleich des persönlichen Nachhaltigkeitsprofiles mit der aktuellen Umsetzung im eigenen Portfolio – optimalerweise unter Ergänzung automatisierter Empfehlungen. Alternativ wäre auch eine Bewertung von NachhaltigkeitsPortfolios durch die Community von UMushroom denkbar (Stichwort «Social Trading»).